Bannkreuzer

Mit einem Nicken verlassen Henry und die beiden anderen Ritter das Zimmer und begeben sich in den Hof zu Ihren Gefolgsleuten. Dort angekommen, schart Henry seine Brüder um sich und stimmt ein Gebet an.

"Oh Eyner, Deine Wege sind wunderbar. Wir sind Dein Werkzeug, wir sind Dein Wille. Leite uns in der Finsternis der Nacht und sei das feurige Licht in unseren Herzen." Mit diesen Worten stimmen die Ordensbrüder ein gemeinsamen Oh Eyner an...

Henry atmet tief ein und besinnt sich kurz. "Nun gut. Einen Tag. Dann werden wir unser Handwerk beginnen. Wir stehen auf der selben Seite, Truchsess. Ihr und wir wollen die Werke der Finsternis in diesem Land beenden. Ihr seid lange alleine dagegen gestanden, wie mir scheint. Was meine Glaubensbrüder getan oder nicht getan haben, darüber mag allein der Eyne richten.
Ich hingegen habe mein Leben seit über zwanzig Jahren dem Kampf gegen Bozephalus gewidmet. Ich stand Hexern und Dämonen gegenüber, habe Untote und Geister ausgelöscht und habe ganze verdorbene Adelshäuser zu Fall gebracht. Ich bin über Fürsten und Bauern zu Gericht gesessen und habe meine Richtsprüche allein im Glauben gefällt. Was immer mein Weg bereit hält, es ist im Wissen und Wollen des Eynen begründet.
Viel musstet Ihr wohl bislang in diesem Kampf erdulden. Aber jetzt seid Ihr nicht mehr allein."

"Was schlagt Ihr also vor?"

Mit einem Kopfschütteln lehnt Henry den Weinkelch ab.
"Ich trinke keinen Alkohol. Danke. Ein Bannkreuzer, sagt Ihr? Und er ist einfach so verschwunden? Interessant."

Wieder lächelt Henry Tirador an. "Wieviele Zugänge gibt es zur Burg, und sind alle bewacht? Wir wollen doch nicht, dass uns jemand vorzeitig verlässt, nicht wahr?
Vielen Dank auch für Euren wertvollen Rat, aber von unauffällig kann keine Rede sein, im Gegenteil; ich möchte, dass unsere Gegenspieler ganz genau wissen, mit wem sie es zu tun haben...
Lasst uns dafür sorgen, dass die aufgescheuchten Vögelchen unseren Männern in die Netze gehen. Alors, geschätzter Truchsess, wollen wir beginnen?"

Das erste Mal seit Längerem huscht ein ehrliches Lächeln über Henry's Gesicht...

"Oh, Truchsess, Ihr seid ein Mann mit Format, das gefällt mir. Wer ist Prior Tharsonius und welchem Orden gehört er an, wenn ich fragen darf? Ich war seit Jahren nicht mehr in Lyrien, unser Orden ist in Telnaron beheimatet. Es gab, sagen wir, Unstimmigkeiten über die Auslegung des Lex Ecclesiae. Meine geliebten Brüder im Eynen waren wohl zum Teil der Auffassung, ich und meine Brüder wären etwas zu ... streng. Wie dem auch sei, das ist lange her. Hier und jetzt bin ich Eure beste Waffe im Kampf gegen die Werke des Gefallenen.

Und, Truchsess, ganz konträr zu Euren Befürchtungen plane ich fest mit den Truppen dieses Hauses und, so Ihr es für angebracht haltet, Eures Ordens. Verzeiht mir, aber vielleicht hättet Ihr die Güte, mir bei Gelegenheit die Mission Eures Ordens zu erläutern.

Für's Erste sei Euch versichert, dass mein erstes und einziges Anliegen die Ausrottung dieses ominösen dunklen Kults und die Läuterung der genannten Hexe ist. Jegliche weltlichen Interessen und Konflikte sind für mich und meine Brüder ohne jede Bedeutung.
Zuerst möchte ich sicherstellen, dass unsere Anwesenheit niemanden zur Flucht verleitet. Ich erwarte, dass jegliche treuen und rechtgläubigen Soldaten dafür Sorge tragen, dass niemand diese Burg betritt oder verlässt, während wir unsere Ermittlungen durchführen. Außerdem werden wir auf der Suche nach dieser Hexe Befragungen durchführen. Kein Diener Bozephalus kann im Licht des Eynen mit seinen Lügen bestehen.

Geht Ihr bis hierher mit mir d'accord?"

"Zu allen Zeiten, Truchsess. Oder möchtet Ihr lieber mit dem Titel Schwertmeister angesprochen werden? Ich bin Henry de Rousseaux, Prior des Ordens des Hl. Cadorus zu Telnaron, Großinquistor seiner kronprinzlichen Majestät Jean-Baptiste de Satre, Großmeister des Ordens der Armen Ritter Cadori. Die weltlichen Titel lassen wir gerne aussen vor, diese sind ohnehin ohne Belang. Ihr dürft mich mit Bruder Bannkreuzer oder Eure Eminenz ansprechen.
Wie sich zeigt, hat mich der Eyne hierher gesandt, um Euch zu helfen. Herzogin, würdet Ihr Eurem Truchsess bitte die nächsten, erforderlichen Schritte erläutern?"

Auch die beiden Ritter im Gemach reagieren kaum auf die sich öffnende Tür. Henry blickt erwartungsvoll auf den Neuankömmling...

Henry nickt kurz. Die beiden anderen Ritter bleiben gelassen auf Ihren Positionen stehen.

Im Hof haben sich derweil die Kriegsknechte und Ritter wieder voll gerüstet. Rammbert steht vor der Truppe, und laut hallt seine Stimme über den Hof. "Brüder, das feurige Auge des Eynen wacht über uns. Der Tag ist alt, die Nacht naht. Bereitmachen zum Appell!"

Dem beiläufigen Beobachter muss es so erscheinen, als würde gerade etwas alltägliches im Leben der Ordensbrüder passieren. Die Wachen entspannen sich wieder, da augenscheinlich keine Gefahr von den Bewaffneten ausgeht und auch das Volk geht langsam wieder seinen regulären Aufgaben nach. Nur jemandem, der die Knechte und Ritter ganz genau beobachtet hat, mag den kurzen, intensiven Blickkontakt zwischen den Rittern und den Knechten erkannt haben.

"Meine Liebe, es gibt nichts mehr abzusegnen. Ich bin Henry de Rousseaux, Großinquisitor der Heiligen Mutter Kirche und Großmeister des Ordens der Templer des Heiligen Cadorus. Meine Worte verkünden die Wahrheit des Eynen und meine Hand erfüllt Seynen Willen. Unser Orden wurde gegründet, um das Gezücht des Bozephalus zu jagen und zur Strecke zu bringen. Wir sind die unausweichliche Wahrheit des Glaubens. Ich werde keine Sekunde zögern, Eure ganze Burg niederzubrennen, bevor ich zulasse, dass diese Ketzerin eine Chance zur Flucht bekommt."

Das wahrscheinlich beängstigendste an der ganzen Ansprache ist vermutlich der ruhige, fast flüsternde Ton Henrys. Mit der gleichen gelassenen Gewissheit könnte er gleichfalls feststellen, dass der Himmel blau ist oder dass es gerade regnet.

"Tochter, das ist jetzt von enormer Wichtigkeit. Der erste Befehl, den Ihr jetzt Eurem Hauptmann erteilen werdet, ist, dass mit sofortiger Wirkung nichts und niemand mehr diesen Hof betreten oder verlassen kann. Niemand. Egal wer, egal warum. Habt Ihr das verstanden?
Danach werde ich zu Eurem Hofstaat sprechen, während meine Ritter die gleichlautenden Worte an Eure Bediensteten richten werden. Lasst dafür sorgen, dass sich alle an Plätzen versammeln, wo sie uns alle hören können."

Ein kurzes Blitzen ist in den Augen Henrys zu sehen.

"Gut, dann werden wir mit dieser Angelegenheit beginnen, bevor wir zu den anderen Dingen kommen, die Euer schönes Land heimsuchen. Bitte, lasst den Befehlshaber Eurer Wache kommen sowie Euren Haushofmeister. Bruder Rammbert, Gefechtsbereitschaft Wladislaw, Cadorus-Protokoll".

Bei diesem Befehl dreht sich Rammbert schnurstracks um und verlässt den Raum. Die beiden anderen Ritter flankieren jetzt je eine der Türen, die in das Gemach führen. Rammbert eilt schnellen Schrittes in den Hof und überbringt die Befehle seines Meisters. Mit großen und verwunderten, aber auch wachsamen und sorgenvollen Augen sieht das Burgvolk, wie die Templer und ihr Gefolge wieder Ihre kompletten Rüstungen anlegen und sich bewaffnen. Die Burgwache beäugt das Ganze voller Argwohn.

Im Gemach der Herzogin wendet sich Henry dann wieder an diese. "Werte Dame, dies hat jetzt oberste Priorität. Anschließend werden wir den dunklen Kult ausmerzen und erst danach werden wir uns um die weltlichen Probleme an Eurem Hofe kümmern."

"Dieses Gezücht ist noch hier am Hof, sagt Ihr? Wo ist Euer Gemahl? Ist der Graf ebenfalls noch hier? Beschreibt uns dieses Weib bis ins kleinste Detail, alles, woran Ihr Euch erinnern könnt. Vorneweg, erkennt Ihr und Euer Gemahl die mir im Namen der Mutter Kirche übertragenen Befugnisse an?"

"Und wurde diese Frau festgesetzt? Wer ist Graf Di Conti? Weiß er von dieser Hexe in seinem Gefolge?"

"Dann lasst uns beginnen. Fangen wir mit einem der offensichtlichsten Dinge an. Welche Hexe?"

Henry lächelt die Herzogin milde an, doch das Lächeln erreicht nicht seine Augen.

"Nein, Tochter, wir werden diese Dinge jetzt besprechen und Du wirst mir alles erzählen, was in diesem Land passiert ist. Wenn Du ob Deines Zustandes Essen und etwas zu trinken brauchst, wird Rammbert dies holen, wenn Du Ruhe brauchst, werden wir eine Pause einlegen, aber ich erfahre von Dir jetzt alles, was ich wissen muss, um dieses Land zu läutern."

Nun weicht sein Blick etwas auf, das Feuer in seinen Augen lodert etwas weniger als nur Augenblicke zuvor.

"Versteht mich nicht falsch, aber das, was Ihr mir bis jetzt nur angedeutet hat, lässt keinen weiteren Aufschub zu."

Die Ritter des Ordens schauen sich bei den Worten der Herzogin bestürzt an, aber Henry verzieht kaum eine Miene. Als die Herzogin fertig gesprochen hat, schweigt er eine kurze Weile und lässt sich das Gehörte durch den Kopf gehen.

"Ich glaube, Ihr seid Euch der Tragweite Eurer Worte nicht bewusst, meine Liebe. Ihr erwähnt hier Dinge, die schon viel früher die Aufmerksamkeit der Kirche beanspruchen hätten sollen. Wo sind Eure Priester, wo Euer geistlicher Beistand in dieser Prüfung? Warum wurde die heilige Mutter Kirche nicht früher hinzugezogen? Eine Prüfung des Eynen, sagt Ihr? Nein, werte Herzogin, das, was Ihr mir hier erzählt, sind die Werke des Gefallenen, der Euer Land, wie es scheint, mit seiner giftigen List durchzogen hat wie schlechtes Blut die Adern bei einer Blutvergiftung. Wahrlich, die Wege des Eynen sind voller Wunder, da er es in seiner unendlichen Weisheit für richtig befunden hat, uns hierher zu führen. Wir sind nur wenige, aber, so wahr mir Cadorus helfe, wir werden das Übel in diesem Land mit Sumpf und Stiel ausrotten oder beim Versuch dabei sterben."

Seine Stimme bleibt bei diesen Worten ruhig und bedächtig, nicht anders, als würde er einem Kind aus dem Luxarium vorlesen.

"Oder, meine Tochter, Ihr schüttet mir jetzt Euer Herz aus. Das, was Euch jetzt bedrückt, mögt Ihr bis nachher weggedacht haben.
Aber das einzige, das Euch Linderung verschafft, ist das auszusprechen, was Euer Herz belastet, ohne dass Euch der Verstand etwas anderes einflüstert.
Bedenkt, vor den Augen und Ohren des Eynen bleibt nichts verborgen. Weder jetzt noch später.

Also, was grämt Euch? Das, was in diesem Raum auch in Gegenwart meiner Ritter gesprochen wird, hören nur wir und der Eyne. Kein Wort davon wird unsere Lippen verlassen, so, wie es bei jeder Wägung Gebot und Sitte ist. Das verspreche ich euch als Großmeister des Ordens des Heiligen Cadorus."

Henry, der die Herzogin nicht aus den Augen lässt, sieht Ihr Zucken, nicht jedoch den Grund dafür. Nachdenklich beobachtet er die Frau, als sie sich wieder setzt.

"Sagt, mein Kind, bedrückt Euch etwas? Ihr wirkt gerade in den letzten Augenblicken sehr ... aufgewühlt?"

Henry mustert die Herzogin aufmerksam... "Tut das, Danke"...

Henry lächelt die Herzogin an. "Danke, dass Ihr uns dies anbietet. Wenn Ihr gestattet, würden wir das Gestüt vor unserer Weiterreise gerne in Augenschein nehmen. Doch zurück zu Eurer Köchin. Ich verstehe Eure Worte so, dass sie der Heilkunde mächtig ist? Einer unserer Kutscher leidet seit mehr als einer Woche an einem schlechten Magen. nun, die Folgen davon sind für uns alle ... unangenehm. Meint Ihr, Eure Köchin hätte etwas, dass ihm und uns allen Linderung verschaffen könnte? Leider hat Bruder Rammbert die gute Frau im Gewühl in der Küche aus den Augen verloren, bevor er sie fragen konnte."